Mittsommertage
Ulrich Woelk
Roman
Verlag C.H.Beck oHG, München 2023
283 Seiten
ISBN 978 3 406 80652 0


Die Erkenntnis, dass sie nach der Schulzeit ihr ganzes Leben an Universitäten verbracht hat, beschäftigt Ruth Lember plötzlich. Sie trifft sie als zukünftiges Mitglied des Deutschen Ethikrates. Gerade zu einem Zeitpunkt, als sie – nach einem Hundebiss – spürt, dass eine seltsame Angst in ihr hochsteigt. Erstaunt denkt sie zurück an die Vergangenheit, die eigene, in der es wenig Unwegsames gegeben hat, obwohl ihr klar wird, dass sich vieles in der Gesellschaft geändert hat. Mit ihren StudentInnen führt sie philosophische Debatten, auch darüber, ob Tiere Gefühle haben wie die Menschen oder das nur eine Vermenschlichung ist. Nur eines irritiert sie gerade, neben den Schmerzen – ein älterer Mann, der in ihrer Vorlesung sitzt. Rund um sie beschäftigen sich alle mit der Pandemie, dem Krieg – und den persönlichen Alltäglichkeiten.
Wenn die eigene Vergangenheit in Gestalt dieses Mannes auftaucht, kann sie bedrohlich werden. Wieviel wiegen ihre ehemaligen Protestaktionen gegen HOECHST mit kriminellem Hintergrund heute noch? Was, wenn? Ben, ihr Mann, versteht kaum, was sie ihm erzählt. Nur seine Tochter, die eine aktuelle Klimaaktivistin ist, scheint ungeahnt in die Fußstapfen ihrer Ziehmutter zu steigen. Dort, wo junge Menschen stolz auf sie sind, richten andere über sie und ihre Vergangenheit, während ihre gesamte Welt ins Wanken gerät, um letztlich erstaunt zur Ruhe zu kommen.
In der Geschichte von Ruth, Stav, Ben und Jenny stehen Themen, die gerade vor unser aller Augen zu explodieren scheinen, zwischen diesen sorgfältig und brisant erzählten Zeilen. —

Text: Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger

Transparenz: Das Rezensionsexemplar wurde dankenswerterweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Kein Honorar.