Exil unter Palmen

Deutsche Emigranten in Sanary-sur-Mer

Magali Nieradka-Steiner

wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt) 2022

272 Seiten

ISBN 978-3-534-27395-9

Sanary, der Ort am französischen Mittelmeer, der Riviera, und das Umland, hat es zu einer besonderen Berühmtheit gebracht. War es doch gerade während des Zweiten Weltkriegs für viele Künstler ein wichtiger Zufluchtsort.  Immer verbunden mit der Hoffnung, dort überleben zu können oder von dort weiterziehen zu können. Aber auch Künstler, die sich nicht bedroht fühlten, haben ihre Zelte dort aufgeschlagen. Wie so oft hat die Mundpropaganda dazu geführt, dass eine bunte Schar zusammengetroffen ist. Die „frankophonen“ und die „anglophonen“ Gäste entwickeln ihre eigenen Communitys – manche wohlhabend, manche mittellos, bunt gemischt in ihrer künstlerischen Profession. Bis zu den Tagen, an denen viele weiterflüchten müssen oder in Internierungslagern landen und weiterverschleppt wurden.

Viele der unzähligen im Buch genannten Namen gehören bis heute zur Weltliteratur, oder aber zum Kunst- und Kulturleben und sind weder durch den Nationalsozialismus noch durch andere Zeiten in Vergessenheit geraten. Es entsteht allein beim Lesen der Eindruck, sozusagen an jeder Ecke in dieser Gegend, in jedem Lokal, in jedem Ortsteil mit Kunst, Kultur, Philosophie, Politik an einem Tisch zu sitzen. Das was nach einem Leben in Saus und Braus klingt, nach Liebesaffären, nach Partys, nach Drogenexzess, nach einem Exil im Exil, aber auch nach Armut, Depression, tiefer Verzweiflung und der permanenten Angst davor, was die Zukunft bringt, zieht sich durch alle Seiten dieses Buches und legt auch Zeugnis ab über all jene, die dem Holocaust auch dort nicht entkommen konnten und in Konzentrationslagern ermordet wurden. 

Zwei der Namen, Ludwig Marcuse und Sybille von Schoenebeck (Bedford), haben offenbar als die ChronistInnen von Sanary dafür gesorgt, dass die Spuren der damaligen Zeit unvergesslich sind. 

Die Gedenkkultur in Sanary hat ca. ab den 80er-Jahren den damaligen ExilantInnen Tafeln mit ihren Namen gewidmet, um sie so der Nachwelt zu erhalten. Viele der genannten literarischen Werke sind nur zum Teil heute noch erhältlich, ähnlich ist es wohl auch mit den Bildern, die gemalt wurden und im Laufe der Jahre entweder heute noch in Galerien, Wohnungen oder Museen aufbewahrt oder aber in Vergessenheit geraten sind. Immer noch und zurecht gilt Sanary mit Veranstaltungen zum Thema Exil als ein Ort, der die Erinnerung am Leben hält.

Bis heute beschäftigt sich die Exilforschung intensiv mit dem „Exil unter Palmen“ und die Autorin, akademische Mitarbeiterin für Französisch an der Universität Heidelberg u. a. hat selbst mehrere Jahre an der Cote d’Azur gelebt und geforscht. Zwei ihrer Themenschwerpunkte sind Exilforschung und Migration.

Ein Buch, das insbesondere für Menschen, die sich für die Literatur und ihre Literaten der damaligen Zeit besonders interessieren, eine sprudelnde Quelle. —

Text: Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger

Transparenz: Das Rezensionsexemplar wurde dankenswerterweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Kein Honorar.