Zeit der Verwandlung

München 1900 und die Neuerfindung des Lebens

Stefan Bollmann

Klett-Cotta Verlag, Stuttgart

379 Seiten

ISBN 978-3-608-98677-8

In jedem Jahrhundert steht eine Zeit der Verwandlung an. Das München 1900 ist ein Ort, an dem viele bis heute bekannte Künstler*Innen, Geschäftsleute, Philosoph*Innen, Träumer*Innen und Realist*Innen gemeinsam gelebt haben. Welche Bekanntschaften, Beziehungen oft untereinander entstanden sind, wer von ihnen erfolgreich geworden ist, wer heute längst in Vergessenheit geraten ist – jede der Lebensgeschichten läßt sie nochmals aufleuchten. Die frühen Feministinnen bevölkern die Gesellschaft, konfliktfähig und eloquent. Der Blick in die Seele der Menschen, wie sie Schrenck-Notzing mit seiner Hypnose schafft, führt zu heftigen Diskussionen, wohl auch weil Sexualität darin eine wichtige Rolle spielt. Frank Wedekind, vielen noch bekannt, steht oft unter großem Druck, um als Schriftsteller zu reüssieren, sein Frühlingserwachen ist bekannt geblieben. Die Familie Pringsheim ist all jenen bekannt, die Thomas Mann – den Nobelpreisträger, der als Emigrant in Amerika gestorben ist, zu ihren Lieblingsautoren zählen. Katia Pringsheim wird die Ehefrau des Schriftstellers und Mutter der berühmten Mann-Kinder Klaus und Erika. Erich Mühsam, als Anarchist bekannt geworden, Stefan George der meint, es gehe auch um die „Befähigung, die seelischen Kräfte zu bändigen und zu gestalten“ und viele andere, die die Zeit der Verwandlung nicht nur wünschen sondern auch vorantreiben, finden im Buch ihren Platz. Eine nachstürmende Jugend verschafft sich Aufmerksamkeit, auch mit einer Zeitschrift namens „Jugend“, die sich mit einem neuen Programm des Lebens beschäftigt. Franziska zu Reventlow, eine Gallionsfigur der Münchner Zeit und auch Malerin, gehört zum Mitarbeiterkreis des „Simplicissimus“. Rilke, dessen wunderbare Gedichte niemals vergessen wurden, lernt die schillernde Franziska kennen. Die Zeitgeschichte ist der Rahmen, der sie alle umgibt, auch Frank Wedekind oder den Gründer des Kabaretts „Überbrettl“. Die Frauen aus Kunst, Kultur, Politik, aus der Wissenschaft sind es, die diese Zeit des Wandels und der Verwandlung so deutlich prägen, wie selten davor.

Ein großartiges Buch, um dieser besonderen Zeit und damit der „Neuerfindung des Lebens“ folgen zu können. —

Text: Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger

Transparenz: Das Rezensionsexemplar wurde dankenswerterweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Kein Honorar.