Otto Tausig
Kasperl, Kummerl, Jud
Eine Lebensgeschichte, aufgezeichnet von Inge Fasan
mandelbaum verlag wien berlin 2022
196 Seiten
ISBN 978-3-85476-992-7


„Zu meinem 100. Geburtstag möchte ich es Euch nochmals erzählen…“ das hätte Otto Tausig sicher gesagt.


Otto Tausig hat Inge Fasan sein Leben erzählt, ihr ist es gelungen, daraus ein bemerkenswertes Lebensbuch zu machen.

Sich an sich selbst zu erinnern gehört zu den größten Abenteuergeschichten des Lebens.
Die eigene Biografie kann einem niemand wegnehmen, sie ist genau das, was von uns bleibt. Otto Tausig nimmt uns mit auf die Reise, als würde er neben uns auf der Bank sitzen und erzählen. Von einer Kindheit, die ihn eine zeitlang davor geschützt hat, zu verstehen, was auf ihn zukommt, wie er da war, der Hitler. So schlägt er sich als Jugendlicher, getrennt von seinen Eltern, als sogenanntes Kindertransportkind durch und versucht, den Boden nicht unter den Füßen zu verlieren. Was nach jugendlichem Abenteurertum klingt, ist der Not geschuldet, von der er sich nicht unterkriegen lässt. Sich nach Irrfahrten durch die frühen Jugendjahre zu seinem Traumberuf durchzuschlagen, Schauspieler zu werden und zu sein, das ist sein Leben. Immer aber ist auch die politische Haltung als jugendliches Mitglied der kommunistischen Partei das prägende Element, die große Hoffnung, im Nachkriegsösterreich eine neue, echte sozialistische Demokratie mit aufzubauen. Theater ist für ihn aber auch Sozialkritik, Widerstand, die Verpflichtung, für eine bessere und friedliche Welt zu kämpfen. Der Aufbau eines Theaters, „Das neue Theater in der Scala“ erfordert nicht nur unendlich viel Zeit und Kraft, sondern auch den Mut, dazu zu stehen, dass nicht alles gelingt. Sein privates Leben muss oft genug zweitrangig bleiben, obwohl seine Partnerinnen und seine Familie sich auf ihn verlassen können als Menschen, der weiß, wie wertvoll Liebe und Zuneigung sind.
Seine politische Arbeit nimmt in seinem ganzen Leben als Schauspieler und Regisseur einen zentralen Platz ein, ist Volksbildungsarbeit in Reinkultur und geht im Laufe seines Lebens weit über die Grenzen hinaus. Die Enttäuschung durch die Auseinandersetzung mit dem kommunistischen System nach der Offenlegung von Stalins Verbrechen erschüttert ihn. Aber auch die Befindlichkeiten und Szenen hinter dem Vorhang der des Theaters, ebenso wie die großen Erfolge vor dem Vorhang der Bühnen, auf denen er spielt, begleiten sein facettenreiches Leben, ob in der ehemaligen DDR, am Burgtheater oder wo auch immer. Seinem Lebensprinzip, sich nicht verbiegen zu lassen, kritisch zu bleiben und immer wieder neue Wege zu gehen, um Unterdrückten und sozial Benachteiligten so gut wie möglich zu helfen, findet in der Entwicklungshilfe ihren Platz und bleiben bis zu seinem Tod wichtig und zentral.

Der Satz aus Inge Fasans Text „Und doch wollte er nach wie vor mit dem Theater die Welt verändern“ zeichnet ihn aus, der stets als politisch denkender und handelnder Mensch durch sein Leben gegangen ist. —

Text: Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger

Transparenz: Das Rezensionsexemplar wurde dankenswerterweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Kein Honorar.