Meine geliebte Welt
Sonia Sotomayor
Verlag C.H. Beck oHG, München 2014
329 Seiten
ISBN 978 3 406 65947 8


Katastrophen aushalten lernt Sonia in früher Kindheit. Eltern, die in ihren permanenten Streit gegeneinander verstrickt sind, eine Diabetes 1, die das Kind dazu zwingt, selbst damit zurecht zu kommen und ein kleinen Bruder, der ebenfalls allein gelassen ist. Die gelassene und lebensfrohe Großmutter ist der einzige Halt der Kinder. Nach dem frühen Tod des alkoholkranken Vaters scheint sich einiges zu normalisieren. Mit Herzklopfen hält sie ihre erste Rede in der Schule, wobei ihr klar wird „Nur wer seine Bedürfnisse vorträgt, hat die Chance, gehört zu werden“. In der Bronx von New York als Puertoricanerin
erwachsen zu werden, im Winter das Gefühl zu haben, in Sibirien zu sein, ohne zu Schaden zu kommen, gehört zu ihrem jugendlichen Leben. Welchen Anteil Celina, ihre Mutter, an ihrem Engagement für andere hat, zeigt sich immer wieder, wenn Freundinnen und Freunde trotz der Beengtheit ihrer Sozialbauwohnung Platz finden, um dort zu feiern.
Auf ihrem Weg, mit einem Universitätsbesuch einen großen Schritt in die weite Welt zu machen, bleibt ihr dabei trotzdem ein klarer Blick auf die Lebensumstände ihrer Umgebung. In der alten, vertrauten Welt ist Sonia soziales Engagement immer wichtig gewesen und bleibt es.
Ihr Entschluss, Juristin zu werden und das in einer buntgemischten Gesellschaft wie an ihrer Universität, stellt sie laufend vor neue Herausforderungen. Dass Bildung eine der wichtigsten Ingredienzien ist, um aus der gewohnten, von Armut geprägten Welt, ihren Weg zu gehen, will sie, ohne ihre Familie und FreundInnen zurückzulassen. Politische Arbeit bedeutet für sie, für Minderheiten einzutreten und ihnen eine Stimme zu geben, damit auch sie Zugang zu Bildung haben. Das hat sie zu einer Juristin und Richterin gemacht, die mit der Logik ihres Berufsstandes und ihrer ausgeprägten sozialen Kompetenz ihren Beruf auch im privatwirtschaftlichen Bereich ausübt, bis Barack Obama sie für den Supreme Court, den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, nominiert.
Aber auch in ihrer gesellschaftlich hoch anerkannten Position, als öffentliche Person, vergißt sie nicht, woher sie kommt. Das ist die Grundlage dafür, dass sie Recht und Gesetz als wichtige Voraussetzung für eine Gesellschaft erlebt, einsetzt und verteidigt, die durch soziale Unterschiede oft davon bedroht ist, sich zu spalten und zu gesellschaftlichen Konflikten führt. Der Satz von ihr, „Der Gesetzesvollzug ist eine Welt für sich; nur wenige Außenstehende machen sich klar, was es heißt, darin zu leben“ macht bewußt, welche
moralischen Herausforderungen dieser Beruf mich sich bringt.
Ihr intensives Studium der Geschichte, von der eigenen persönlich geprägten Geschichte, die in Oral Historie aufgezeichnet wird, hin zur globalen Geschichte beleuchtet ihre Vielfältigkeit. Was immer sie auch tut, wo sie auch lebt, bleibt sie ein „privater Mensch“, liebt Kinder und ist ihnen eine liebevolle „Tante“, freut sich über ihre Freundinnen, auch wenn sie immer noch fürchtet, wegen ihrer Diabetes nicht alt zu werden.
Eine Frau, die uns mitnimmt durch ihr Leben, ihre Freuden, ihre Ängste, ihre Liebe oder auch durch Konflikte und ihr „Menschsein“ nie vergißt. —

Text: Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger

Transparenz: Das Rezensionsexemplar wurde dankenswerterweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Kein Honorar.