Cécile Vogt – Pionierin der Hirnforschung

Birgit Kofler-Bettschart

Ueberreuter, Wien 2022

ISBN 978-3-8000-7786-1

Es ist dies ein Buch über das Leben einer leidenschaftlichen Wissenschaftlerin zu einer Zeit als Frauen noch kaum studierten und die Karriere als Forscherin bahnbrechend war.

Es ist dies ein Buch über eine ungewöhnliche Forscherfamilie – Cécile, Oskar und die Töchter Claire, Marthe und Marguerite.

Und vor allem ist dies ein Buch über Hirnforschung in Deutschland, über die Gründung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung in Berlin.

Augustine Marie Cécile Mugnier wurde 1875 in Frankreich geboren (- 1962), studierte in Paris Medizin. Paris war zu dieser Zeit ein Zentrum der Neurowissenschschaften. Der Lehrer Céciles war Pierre Marie, ein Spezialist für Hirnschädigungen.

1898 gebar sie ihre erste Tochter Claire unehelich. Zu dieser Zeit lernte sie auch Oskar Vogt (1870 – 1959), einen deutschen Neurologen und Hypnosespezialisten kennen, der in Paris Gastforscher war. Er kam aus Jena von Otto Biswanger über Zürich und Leipzig in die französische Metropole. 1899 folgte Cécile Oskar nach Berlin und das Paar heiratete. 1900 promovierte sie in Paris.

Sie gründeten gemeinsam ein Forschungsinstitut, die Neurologische Centralstation, später Neuro-Biologisches Forschungsinstitut. Cécile entwickelt eine Methode Hirnschnitte zu machen und zu präparieren. Bis zu 35.000 Schnitte können von einem Gehirn angefertigt werden und daran die Gehirnarchitektur erforscht werden. Eine Bewegungsstörung wird nach Cécile „Vogt-Syndrom“ genannt.

1914 bzw. 1919 wird ein weiteres Institut gegründet: das Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung. Oskar wird Direktor, Cécile Abteilungsleiterin der anatomischen Abteilung, wodurch sie nicht mehr Privatgelehrte und informelle Mitarbeiterin ihres Mannes ist. 1920 wird ihr die deutsche Approbation verliehen.

Von 1925 bis 1929 arbeitet Oskar überdies am Moskauer Institut für Hirnforschung. Ein „Pantheon der Gehirne“ wird angelegt und der Überlieferung nach untersucht das Forscherpaar das Gehirn des 1924 verstorbenen Lenin.

1930 wird das größte und modernste Hirnforschungsinstitut der Welt in Berlin-Buch eröffnet. Das Neuro-Biologische Institut geht dabei ins neue Institut auf. Die Struktur ist richtungsweisend und Genetik wird als Forschungsschwerpunkt erforscht.

Das Paar erhielt für seine Tätigkeit zahlreiche Preise, musste jedoch während des Lebens immer wieder auch Niederlagen einstecken. 13 mal wurde es für den Nobelpreis nominiert – ohne ihn zu erhalten. An ihren Instituten arbeiteten jedoch spätere Nobelpreisträger und Frauen bekamen die Chance Abteilungsleiterinnen zu werden. Um ihnen das Privatleben zu erleichtern, wurde zum Beispiel ein zentraler Einkauf und Putzdienst für die Wohnungen im Haus angeboten. Dadurch wurde ihnen der Rücken frei gehalten für die Forschungsarbeit. Modern war auch die Arbeitsorganisation an den Instituten mit Interdisziplinarität, Interprofessionalität und das Arbeiten in Teams.

Nun zur Familie Vogt: Gemeinsam bekam das Paar zwei Töchter. Die älteste Tochter von Cécile, Claire (Mugnier-Popp-Vogt 1898-1978), wurde als sie vier Jahre alt war, von Oskar adoptiert. Sie studierte in Paris und gilt als Pionierin der pädiatrischen Neuropsychiatrie. Auch die beiden leiblichen Vogt-Töchter sollten die wissenschaftliche Laufbahn wählen und Medizin studieren. Marthe Louise (1903-2003) war Pharmakologin und Neurowissenschaftlerin, arbeitete zunächst als Abteilungsleiterin am elterlichen Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung. Marguerite (1913 -2007) forschte auf dem Gebiet der Genetik, begründete mit Renato Dulbecco die moderne molekulare Virologie – er wurde dafür allein ausgezeichnet wie die Autorin bemerkt.

Fazit: Leben und Arbeit von Cécile Vogt sind sehr penibel recherchiert und man erfährt sehr viele Details über die wissenschaftliche Welt ihrer Zeit vor politischem und wirtschaftlichem Hintergrundsgeschehen und über die bahnbrechende Forschungstätigkeit nicht nur Cécils, sondern auch ihrer Familie und anderer Protagonisten. Ein Blick durch ein Zeitfenster wird somit geboten. Viele ihrer gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage späterer Forschungen und ein Teil ist heute nach wie vor gültig.

Transparenz: Das Rezensionsexemplar wurde vom Verlag zur Verfügung gestellt, wofür ich danke. Kein Honorar.