FREI. Erwachsenwerden am Ende der Geschichte
Lea Ypi
Autobiografisches Sachbuch
Suhrkamp Verlag AG, 2022
333 Seiten
ISBN 978-3-518-43034-7

Politische Verhältnisse prägen ganz besonders Kinder. Und begleiten sie ein Leben lang. Schule als ein Hort der Indoktrination, Familie als ein Ort des Schweigens oder der Auseinandersetzung. Stalin, zuerst von Lea vergöttert, wird ausgetauscht. So wie der Sozialismus, der die Welt in Albanien und anderen Ländern die Welt retten sollte, gefolgt vom Kommunismus, der das ebenfalls versprochen hat, bis auch hier der Zerfall die Ideale verstört hat. Lea weiß, dass Oma Nini die einzige ist, die stabil ist. In ihren Werten ebenso wie in der Bewältigung des Alltags, der sich je nach den Verhältnisse in Albanien in den
1990er Jahren zwischen allen Fronten bewegt. Menschen kommen und gehen, Lea versucht immer wieder, den „Durchblick“ zu bewahren und scheitert wie so oft. Aber auch das übrige Familiengefüge bietet wenig Halt. Ein Vater, der einerseits liberal scheint und doch verzweifelt an der Eigenmächtigkeit seiner Frau, die ihren eigenen Weg geht und sich politisch engagiert. Seine Tochter Lea erlebt fassungslos, wie die Mutter eines Tages einfach samt dem kleinen Bruder ohne Vorankündigung das Land verlässt, während Lea immer noch versucht, das Chaos rund um sich – älterwerdend und erfahrener – einzuordnen, trotz aller Zweifel. Nur Oma Nini ist der Felsen in der Brandung…

Ein Sachbuch, das die „Sache“ der Politik im Albanien der 90er Jahre zu einem höchst persönlichen Erleben macht und zeigt, wie es sich auf Menschen in diesem Umfeld auswirkt.


Lea Ypi ist heute Professorin für politische Theorie an der London School of Economics. —

Text: Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger

Transparenz: Das Buch wurde selbst gekauft. Kein Honorar.