Die Weisheit der Demenz

Wegweiser zum würdevollen Umgang mit desorientierten Menschen

Hildegard Nachum

Kneipp Verlag 2022 bei Styria Buchverlage

222 Seiten

ISBN 978-3-7088-0815-4

Mit Menschen in ihrer demenziellen Erkrankung gemeinsam auf die Reise in ihr eigenes Land zu gehen, das ist die Herausforderung, die in diesem Buch beschrieben wird. Das, was heute als Fachwissen vorliegt und die sogenannte Versorgungslandschaft skizziert, ist eine Grundlage. Der einzelne Mensch, der davon betroffen ist, braucht die Chance, begleitet zu werden auf seinem Weg in dem eigenen, persönlichen Land. Die letzten Jahrzehnte waren geprägt davon, sich mit der für viele als Schreckgespenst existierenden Erkrankung Demenz auseinanderzusetzen. Beginnend oft mit Testprogrammen, die den momentanen Zustand aufzeigen und öfter den Effekt haben, wegen der Streßsituation ein anderes Bild zu geben als im übrigen Alltag. Die typischen Erscheinungen des Krankheitsbildes werden durch die jeweiligen markierten Stellen: „In der Praxis“ beleuchtet und geben Möglichkeiten der guten Handlung. Denn ohne die Lebensgeschichte der Betroffenen zu kennen, bleibt die Weisheit, die hinter den Fassaden der Menschen liegt, verborgen. Naomi Feils Methode der Validation öffnet Türen des Verständnisses und gibt im Kontakt mit betroffenen Menschen die große Chance, sie auf ihrem Weg zu begleiten, so schwierig dieser Weg oft ist. Die hilfreichen Techniken der Validation sind selbst beim Lesen – immer mit dem Hintergrund von Erzählungen über bestimmte Menschengeschichten – so nachvollziehbar und neben aller Sachlichkeit auch einfach beschrieben, dass sie ein bemerkenswertes Instrumentarium bilden. 

Auch die Erkenntnisse anderer ExpertInnen zeigen, wie unendlich weit das Feld ist, auf dem sich Menschen mit einer demenziellen Erkrankung bewegen und welche Stadien sie durchschreiten.

Aktuell gerade jetzt im Kapitel Perspektivenwechsel ist auch die Bedeutung seelischer Kriegsfolgen – Traumata, die wieder getriggert werden und zusätzliches Leid verursachen. Berührend sind die Geschichten der einzelnen Personen, von denen hier erzählt wird und die Erlebnisse, die oft für sie ihr Leben bestimmt haben. 

Um auch den Blick in die Zukunft der Demenz zu machen, schließt das so sorgsam gestaltete Buch mit dem Hinweis darauf, dass in einer sich ständig verändernden Welt großes Denken seinen Platz haben muss. Das betrifft die Betroffenen, den Umgang mit ihnen, das betrifft die Pflege- und Betreuungskräfte, die für diese Begleitung durch das weite Land gute Arbeits- und Bildungsbedingungen brauchen, das betrifft eine Gesellschaft, die multikulturell denken und handeln muss – und einfühlsame Therapiekonzepte für die betroffenen Menschen.

Um sich in dieser Welt der desorientierten Menschen bewegen zu können und ihnen ihre Würde niemals zu nehmen, ist dieses Buch ein besonderer Wegweiser, den die Autorin liebevoll gestaltet hat. — 

Text: Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger 

Transparenz: Das Rezensionsexemplar wurde dankenswerterweise zur Verfügung gestellt. Kein Honorar.