Heute wird er als erster österreichischer Expressionist bezeichnet, noch vor Oskar Kokoschka und Egon Schiele und bildet inzwischen mit diesen beiden ein Dreigestirn. Die Rede ist von Richard Gerstel (1883 – 1908). Er war so etwas wie ein junger Wilder, eckte in der Akademie ob seiner avantgardistischen Ansichten an seinem Lehrer Christian Griepenkerl an und auch später an Heinrich Lefler, der ihm gegenüber zunächst wohlwollend eingestellt war. Mit Arnold Schönberg verband ihn eine Seelenverwandtschaft (Schönberg war auch Maler) und er verbrachte zwei Sommer mit der Familie und deren Freundeskreis am Attersee – was ihm zum Verhängnis wurde…

Das Werk des nach einer unglücklichen Affäre mit der Komponistengattin Mathilde Schönberg freiwillig aus dem Leben Geschiedenen umspannt sechs reiche Schaffensjahre. Ein Teil wurde leider vernichtet. (Von den Zeichnungen Gerstls sind nur mehr acht Selbstbildnisse erhalten.) 23 Jahre wurde sein Nachlass in Kisten verwahrt bis einer seiner beiden Brüder und Erben nicht mehr die Lagerkosten zahlen wollte und der andere, Alois, den Galeristen Otto Nirenstein (Kallir) 1931 kontaktierte. Dieser war es auch, der erste Gerstl-Ausstellungen in Wien, München, Berlin, Köln, Aachen und Salzburg organisierte. Durch die Sammeltätigkeit von Rudolf Leopold sind mit Dauerleihgaben insgesamt 19 Werke im Leopold Museum dem Publikum in Wien zugänglich gemacht worden. Der Kunsthistoriker Otto Breicha baute in den 60er Jahren ein Gerstl-Archiv auf, das hier auch in einem Raum ausgestellt wird.

Richard Gerstl ist derzeit (bis 20.1.2020) eine Ausstellung im Leopold Museum gewidmet, die zwei Aspekte herausarbeitet: Inspiration und Vermächtnis. Gemeint ist damit von wem Gerstl sich inspirieren ließ und wen er wiederum inspiriert hat. Mit eingeschlossen sind auch neuere Erkenntnisse im Zuge von Archivarbeiten und Recherchen.

Spannend ist jedenfalls die Auswahl und Gegenüberstellung wie sie von den Kuratoren Hans-Peter Wipplinger und Diethard Leopold gedacht wurde. Lauter große Namen scharen sich um die Werke von Richard Gerstl.

Wenn man neben seinem Selbstbildnis (von 1908) jenes von Vincent van Gogh (1887) sieht oder vor dem Ganzkörperporträt Gerstls von Professor Ernst Diez (vor 1907) und jenem von Edvard Munch von Harry Graf Kessler (1906) steht oder die Gegenüberstellung von Gerstls Am Donaukanal (1907) mit Slevogts Maximilianeum (1900) vergleichen kann, dann könnte man beinahe von einem Duell der Maler sprechen!

 

Man sieht links das Bild von Munch vor gelbem Hintergrund und rechts das Bild von Gerstl
Ausstellungsansicht Leopold Museum, links: E. Munch, Harry Graf Kessler, 1906, rechts: R. Gerstl, Prof. Ernst Diez, vor 1907, Foto: Leni Deinhardstein

 

Unter jenen, die Gerstl inspiriert hat, finden wir Baselitz, Brandl, Brus, Jungwirth, Mühl , Rainer, Schwarzkogler u.a.

 

Dem Selbstporträt Gerstls ist Brus Selbstverstümmelung I gegenübergestellt.
links R. Gerstl, Selbstbildnis von 29. September, 1907, rechts G. Brus, Selbstverstümmelung I, Aktion, Wien, 1965 Foto mit freundl. Genehmigung von Leopold Museum

 

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Kunsthaus Zug und wird auch dort mit etwas veränderter Schwerpunktsetzung gezeigt.

RICHARD GERSTL, Inspiration – Vermächtnis. Van Gogh, Munch, Bacon, De Kooning, Jungwirth,… Leopold Museum, bis 20.1.2020

Informationen: http://www.leopoldmuseum.org