LÜCKENLEBEN

Mein Mann, der Alzheimer, die Konventionen und ich

Katrin Seyfert

Deutsche Verlags-Anstalt, München 2024

(SPIEGEL-Buchverlag)

254 Seiten

ISBN 978-3-421-07026-5

Marc ist Arzt und kennt sich aus. Katrin ist Journalistin und kennt sich aus. Mit Alzheimer sind sie noch nicht befreundet. Marc ist ein „Jungbetroffener“, Anfang 50. Tag für Tag erleben sie beide und die Kinder, was es bedeutet, wenn jemand an Alzheimer erkrankt. Wenn jemand, der Vater, vieles verliert, wofür er für sie immer gestanden ist. Wenn jemand, wie die Mutter, verzweifelt versucht, irgendwie alles noch irgendwie in Griff zu halten. Ihr Pragmatismus hilft bei vielem, aber nicht bei allem. Die Freundinnen und Freunde sind da, wie so oft hilflos mit „wir sind immer für Dich da“. Was Katrin hilft, ist es dem Alzheimer ins Auge zu sehen. Es ist nicht die Krankheit von Marc, die alles so schwierig macht. Es ist viel mehr. Wie geht ein Leben mit finanziellen Problemen, weil Marc nicht mehr arbeiten kann? Wie geht ein Leben als pflegende Angehörige, die für die Kinder sorgen muss und für Marc zugleich – und für sich selbst? Die große Herausforderung steht vor der Türe: es geht einfach nicht mehr. Nicht mehr daheim. Wie ist das mit einem Heim? Mit allen Ängsten und Sorgen, mit den eingepackten Hemden im Koffer, die er mitnehmen soll, die sie nie wieder waschen wird? Marc freut sich, im Heim stehen fünf Puddings für ihn bereit. Und Pflegekräfte, die sehr gut wissen, wie man immer dann, wenn für die Angehörigen etwas schwierig ist – zum Beispiel nach einem Besuch heimzugehen – sie die Regie übernehmen und Marc mit ihnen einfach den Tag beendet. Dort, wo es nicht die Katastrophe ist, wenn er nicht in sein Bett findet oder der Urin nicht dort landet, wo er landen sollte. Marc stirbt früh – Katrin gesteht sich zu, neben der Trauer um ihn auch Erleichterung zu spüren. Ihre Jahre danach mit den Kindern erzählen, wie das Leben weitergeht. Ohne Marc. Der aber einfach da ist, nicht gelöscht ist aus ihrem Leben.

Ein erfrischendes Buch zu einem von Angst, Scham und Sorge besetzten Thema. Ihr journalistisches Talent schafft eine bunte Reise durch alle Themen, die damit verbunden sind. Lebensnahe und realistisch, weil das Leben ist, wie es ist. —

Text: Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger

Transparenz: Das Rezensionsexemplar wurde dankenswerterweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Kein Honorar.

Hier geht es zur Hörrezension: https://die-hoerrezension.letscast.fm/episode/lueckenleben