Florence Nightingale
Die Frau hinter der Legende
Hedwig Herold-Schmidt
wbg Theiss Verlag, 2020
320 Seiten
ISBN 978-3-8062-4055-9


Dass eine Frau, die in einem streng viktorianischen Korsett in einer reichen Familie aufgewachsen ist, im späteren Verlauf ihres Lebens zur Gallionsfigur der Pflege wurde, hat kaum jemand vermutet. Wie sich der Begriff der Krankenpflege entwickelt hat, zeigt deutlich, in welchem Weltbild sie über viele Jahre gesehen wurde. Der geflügelte Satz „Bist Du Frau, kannst Du pflegen“ hat sich nicht nur lange gehalten, er wird immer noch unterschwellig, wenn auch nicht laut, als die Lebensaufgabe des weiblichen Geschlechts angenommen und erst in den letzten Jahren zunehmend revidiert.

Florence Nightingale hat in ihrem Umfeld lange dagegen ankämpfen müssen, nicht als Träumerin oder Phantastin zu gelten. Wer sie als Person wirklich war, welche Lebensthemen – außer der Pflegearbeit – sie beschäftigt haben, bleibt eher im Dunkeln und sie werden erst durch dieses sorgfältig geschriebene Buch sichtbar. Ihre geistig- spirituelle Entwicklung hat auch zu politischen Haltungen geführt. Ihre Entscheidung gegen eine Eheschließung, ihre Reisen und die Kontakte mit religiösen Gruppen prägen sie. Im Laufe ihrer Reisen hat sie aber auch Gelegenheit, viele Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser kennenzulernen, sich dort über die oft schrecklich Zustände zu informieren. Sich Pflege zur Lebensaufgabe zu machen, findet in ihren Tagebüchern seinen Niederschlag.
Die Ereignisse von Kriegen wie dem Krimkrieg und die Versorgung verletzter und kranker Soldaten lassen sie nicht mehr los und machen sie zu einer Pionierin, die entsandt wird, um ihr Wissen um die Pflege gezielt anzuwenden. Organisationsaufgaben und Management werden rasch zu ihren Hauptaufgaben. „The Lady with the Lamp“ wird für viele ein Beispiel dafür, dass Pflege eine Profession ist, die aus einer sogenannten Berufung einen hochqualifizierten Beruf macht. Ihre Idealisierung, die auch viele Fragen zum Thema Feminismus in den Raum stellt, wurde von ihr selbst in einem Satz beantwortet: „Sie wolle Taten sprechen lassen, nicht Worte, war ihr Credo“. Nicht nur Krankenschwester zu sein, sondern Statistikerin, Ökonomin, „Führungskraft“. Ihre komplexe Lebensgeschichte, geprägt von der Zeit im 19. Jahrhundert, öffnet breites Wissen zur Geschichte der Pflege, geprägt von einer bemerkenswerten Persönlichkeit, deren Wirken bis heute hochaktuell ist.

Ein Buch, das nicht entzaubert, sondern einen Einblick darauf gibt, welchen Herausforderungen sich diese Frau gestellt hat.

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