Das Bauhaus in Weimar hatte auch Schüler*Innen aus Österreich. Diese Tatsache müssen wir uns immer wieder ins Gedächtnis rufen!

Der Schweizer Künstler Johannes Itten (1888 – 1967) eröffnete während des Ersten Weltkriegs in Wien eine private Kunstschule. In Wien lernte Itten Walter Gropius kennen und wurde von ihm 1919 ans neu gegründete Bauhaus in Weimar berufen. Rund 20 Schüler*Innen seiner Privatschule folgten ihm, unter ihnen Friedl Dicker (1898 – 1944) und Franz Singer (1896 – 1954). Ihnen ist eine in Kooperation mit dem Bauhaus-Archiv Berlin entstandene Ausstellung im MUSA gewidmet: „Atelier Bauhaus, Wien“. Ein Großteil der Objekte ist zum ersten Mal öffentlich zu sehen. Dicker und Singer hatten in Wien eine Ateliergemeinschaft, die von 1925 bis 1938 bestand. Das Angebot umfasste Entwürfe für Wohnstätten, Möbel, aber auch Einrichtungen von Geschäften, Kindergärten und Ordinationen. Die Kunden kamen meist aus dem Bekanntenkreis.

Dazu möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen… Gerade heute ergab sich die glückliche Fügung eines nachträglichen Weihnachtsgeschenks in Form eines Buches. Es ist von Marie-Theres Arnbom, „Die Villen von Pötzleinsdorf“, Amalthea 2020. Ich begann im Buch zu blättern und entdeckte ein Kapitel, das mit dem Kreis um Dicker und Singer zu tun hat. In der Starkfriedgasse 19 wurde von Adolf Loos eine Villa für Hans und Anny Moller (Wottitz) errichtet. Anny Wottitz (1900 – 1945) besuchte gemeinsam mit Friedl die Ittenschule und Seminare bei Schönberg. Anny ging auch ans Bauhaus wie Friedl, widmete sich dort der Buchbinderei, während Friedl Inneneinrichtungen, Kostüme und Bühnenbilder entwarf. Für die Villa des Ehepaars in Pötzleinsdorf gestaltete das Atelier von Dicker und Singer einen Raum. In diesem Buchkapitel erfährt man auch, dass keines der von ihrem Architekturbüro geplanten Häuser erhalten blieb.

Das Atelier bestand zwar bis 1938, jedoch musste Dicker als Kommunistin 1933 nach Prag und wurde 1944 in Auschwitz ermordet. Singer ging 1934 nach London und arbeitete dort vor allem für Warenhäuser.

Was nun die chronologische Ausstellung im MUSA betrifft, so ist eine Rekonstruktion eines Phantasus-Baukastens hervorzugeben, der am Bauhaus von Franz Singer und Franz Scala entwickelt wurde und mit dem auch gespielt werden soll. Mit dem Baukasten sollte die Kreativität von Kindern angeregt werden dreidimensionale Objekte mit zweidimensionalen Teilen herzustellen. Die großen und kleinen Besucher*Innen können und sollen ihn ausprobieren!

Weiters entwickelte das Atelier unter Einfluss der De-Stijl-Bewegung ihre typischen Axonometrie-Pläne. Das Besondere daran ist, dass die Pläne farbig sind und der Grundriss des Gebäudes oder Raumes gleichzeitig mit den Möbeln so dargestellt wird als würde man einer Schachtel in der sich ein gezeichnetes Puppenhaus befindet den Deckel abheben.

Hinweisen möchte ich Sie noch auf einen weiteren Zufallsfund, auf den Friedl-Dicker-Brandeis-Hof (1957-59) in der Althanstraße 33. Er erinnert an die Bauhausschülerin, die als Kind im 9. Bezirk wohnte.

Der Friedl-Dicker-Brandeis-Hof in der Althanstraße im 9. Wiener Bezirk.

ATELIER BAUHAUS, WIEN. Friedl Dicker und Franz Singer, Wien Museum MUSA, bis 26. März 2023 (Am 1. Sonntag im Monat freier Eintritt wie auch an anderen Standorten des Wien Museums)

Informationen: http://www.wienmuseum.at

Buchtipp über die Villen:

Die Villen von Pötzleinsdorf. Wenn Häuser Geschichten erzählen

Marie-Theres Arnbom

Amalthea Signum Verlag, Wien 2020

ISBN 978-3-99050-172-6

Eine historische Entdeckungsreise aus einem Wiener Bezirk.
Die Villa Moller in der Starkfriedgasse 19 wurde
von Adolf Loos erbaut. Ein Raum wurde vom
Atelier Dicker-Singer gestaltet.

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