Jugend nachher
Roman
Hertha Pauli
Milena Verlag Wien, 2019
243 Seiten
ISBN 978-3-903184-40-4

Die gestohlene Jugend
Gerettet zu sein aus einem Konzentrationslager heißt noch bei weitem nicht, mit der eigenen Vergangenheit fertig zu sein. Dem mörderischen System entkommen zu sein, hat tiefe Spuren hinterlassen. Ausgeliefert den Nachkriegswirren, den Lügengebäuden in der eigenen Verwandtschaft, die sie gnadenhalber aufnimmt, laviert sie sich alleine und entwurzelt durch. Der alte Nazimief lauert in jeder Ecke.
Sie finden Schutz mitten im Haufen einer vom NS-Regime geprägten Jugendbande, in der Wolf regiert, die nach Orientierung und Halt suchen, nach „starken Figuren“, herausgewachsen aus einem Krieg, in einem Gewirr von Lügengespinsten, unerfüllbaren Träumen. Irene, die Heimatlose, immer wieder beschuldigt von der Tante als Schandfleck der Familie, klammert sich an ihre erste Liebe, Toni.
Ihre verzweifelte Suche nach Toni, der verschwunden ist, macht sie zum Spielball in der jungen Männerrunde, die ihre Machtspiele untereinander weiterspielen, die vor Gewalt, Raub, Terror und Mord nicht zurückschrecken. Sie bleibt in diesen Abhängigkeiten erpressbar, gezeichnet von ihrer KZ-Lagerhaft, in einem Klima, in dem die ehemaligen AnhängerInnen des Nazi-Regimes sie als nicht-arische
Außenseiterin brandmarken.
Ein wichtiges Zeugnis einer Kriegsgeneration, in der Anarchie, die Sehnsucht nach Liebe, starkem Halt, unaufgearbeiteter Vergangenheit in verwirrender Verstrickung, das Leben aller geprägt haben. Das Nachwort von Evelyne Polt-Heinzl zeichnet das wichtige Porträt zur Autorin Hertha Pauli. —

Text: Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger

Transparenz: Das Rezensionsexemplar wurde dankenswerterweise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Kein Honorar.