„Heutzutage sehen sich immer mehr Menschen gezwungen, Ihre angestammte Heimat zu verlassen, und zwar aus allen möglichen Gründen – Krieg, religiöse Diskriminierung, politische Verfolgung, Zerstörung der Umwelt, Hunger, Armut. Wird es uns jemals gelingen, diese Geißeln aus der Welt zu schaffen? Kann eine Zivilisation, die auf dem Unglück anderer aufgebaut ist, ewig weiter bestehen? Und wer kann sicher sein, nicht selbst eines Tages seine Heimat verlassen zu müssen und an einer fremden Küste ausgesetzt zu werden, nur um dort auf Diskriminierung zu stoßen und gezwungen zu sein, um Mitleid zu betteln?“

Dies ist ein Zitat von Ai Weiwei (* 1957 in Peking) in seiner Ausstellung IN SEARCH OF HUMANITY in der Albertina Modern. Seine künstlerischen Arbeiten nehmen darauf Bezug. Ai Weiwei ist einer der nicht schweigt. Er ist einer, der sich zum Botschafter jener macht, deren Stimmen, obwohl sie oft laut schreien, nicht (ausreichend) gehört werden, oder die verstummt sind. Er füllt die Readymades im Sinne eines Marcel Duchamp (letztere waren als Anti-Kunst gemeint) mit neuen Inhalten: politisch, sozial und psychisch.

Nehmen wir als Beispiel das Werk „Kristallkugel“ von 2017. Um eine große Kristallkugel sind unzählige Schwimmwesten gruppiert. Gemeinsam ergeben sie eine Lotos- oder Seerosenblüte. Inspiriert wurde Ai Weiwei 2015 auf Lesbos, wo Flüchtlinge ihre Westen liegen ließen. Die Kugel weist auf die unbestimmte Zukunft nach Verlassen der Heimat hin. Im selben Raum die Tapete „Odyssee“ von 2017, mit Fluchtmotiven. Hinter Stacheldraht das Leben in einem Zeltlager, die Aufschrift „no one is illegal“, einige Helikopter über Ruinen, darunter eine Menschenkaravane, an anderer Stelle eine bekannte mythologische Figur: Europa und der Stier. Es braucht keinen Spiegel, um das zu verstehen. Oder doch? In einem weiteren Raum eine Porzellansäule, ebenfalls mit flüchtenden Menschen. Ästhetik trifft auf Anklage. (Im Bild zu sehen)

144 Objekte bilden das Konglomerat der Ausstellung, die an Werken die bisher größte des Künstlers und Menschenrechtsaktivisten zu sein angibt. Kuratiert wurde die Ausstellung von Dieter Buchhart und Elsy Lahner.

Begleitend Filme von Ai Weiwei im Stadtkino, noch am 2. Mai 2022, um 18 h, The Rest und am 16. Mai, um 20 h, Human Flow.

Ai Weiwei. IN SEARCH OF HUMANITY, Albertina Modern, bis 4.9.2022

Informationen: http://www.albertina.at