Die Macht der Seuche
Wie die Große Pest die Welt veränderte 1347-1353
Volker Reinhardt
C.H.Beck Verlag, 2021
256 Seiten
ISBN 978 3 406 76729 6
Mitten in einer der größten Seuchen, die weltweit Milliarden Menschen betrifft, werden unzählige Bücher darüber geschrieben. Eines ist den meisten Büchern gemeinsam: die Vergleiche mit Seuchen der Jahrhunderte unterscheiden sich gravierend in manchen Bereichen – und kaum in anderen Bereichen. So standen in der Pestseuche weder Medikamente noch wissenschaftlich verifizierte und evidenzbasierte Erkenntnisse zur Verfügung. Immer aber stand die Frage im Raum, wer „daran die Schuld“ tragen könnte. Theorien wurden damals und heute zum Spielball, haben Verwirrung gestiftet, Unruhe erzeugt und politische Systeme bis an den Rand des Zusammenbruchs erschüttert.
Die großen Kapitel des Buches „Die Pest und die Menschen“, „Die Menschen und die Pest“ und „Die Menschen nach der Pest“ legen Zeugnis ab. Darüber, weshalb es kaum möglich war, authentische Berichte von damals festzuhalten. Gerüchte und politische motivierte Motive, Wirtschaftskämpfe, die Pest hatte jede Möglichkeit, sich dahinter auszubreiten und alle Schichten der Bevölkerung zu treffen. Der schwarze Tod wurde allgegenwärtig. Im Zentrum des Buches steht großteilts Florenz als Stadt, die von der Seuche heimgesucht wurde und danach auch die Rolle, die Rom und auch andere italienische Städte dabei gespielt haben. Obrigkeitliche Anordnungen, Edikte und Vorschriften, Verbote, der Versuch, die Seuche im Griff zu halten – mit der Erkenntnis, dass sie den gewünschten Erfolg kaum erzielen konnten.
Vieles, das heute bekannt ist über Ansteckung, Verbreitung, Verschwörungsmythen, aber auch Daten und Fakten zur Pest über die Jahrhunderte hinweg, zeigt den langen Weg, in der die Seuche zu einer permanenten Bedrohung wurde. Bis heute jedoch gibt es zu allen Daten und Fakten Methodenstreits, die auch die Covid-Pandemie über Jahrzehnte begleiten werden. Auch heute trifft die Seuche Covid alle Lebensbereiche, trennt arm und reich noch weiter voneinander, bringt kulturelle und wirtschaftliche Bereiche zum Stillstand – und zeigt uns zugleich, dass damals auch der sogenannte Frühkapitalismus das Heft in der Hand hatte. Welche Rolle in Zeiten der Pest auch die Religionen mit ihren VertreterInnen gespielt haben, weist den großen Einfluss, den sie hatten, nach. Was in so manchen Bereichen als Strafe Gottes für die sündige Menschheit verkündet wurde, war eines der wichtigsten Mittel, um Druck auf die Gläubigen auszuüben. Doch auch die „von Sünde freien Menschen“ wurden von der Pest nicht verschont.
Die Pestberichte der Überlebenden der damaligen Pest legen Zeugnis ab. Sowohl vom Einzelschicksal, aber auch von den damaligen herrschenden Verhältnissen. Wo heute Mobilität und Globalisierung Freiheiten gestatten, waren damals die Lebensräume und Möglichkeiten der Mobilität ganz anders strukturiert und prägen die Pestberichte.
Der Vergleich zu Covid-19 scheint verführerisch. Erstaunlich ist vor der Betrachtung der gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Entwicklungen, die zwischen damals und heute liegen, dass der Vergleich nicht möglich sein sollte – und es dennoch auf vielen Ebenen ist. Die Frage, die sich auch auf der ethischen Seite immer wieder stellt, heißt wohl: was lernen wir aus unserer eigenen Menschheitsgeschichte wirklich?
Der Epilog wird getragen von einem Satz, der zeigt, wie die Menschheit mit Geschichte der Seuchen umgeht – damals und heute. Seite 241: „So spricht alles dafür, dass nach der Überwindung der Corona-Pandemie der Wille zum Vergessen und zur Rückkehr in die vertrauten Bahnen überwältigend sein wird. Das ist keine besonders stimulierende, doch eine einigermaßen beruhigende Perspektive“ (Volker Reinhardt, Autor des Buches) —
Text: Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger
Transparenz: Das Rezensionsexemplar wurde dankenswerter Weise vom Verlag zur Verfügung gestellt. Kein Honorar.