Kinder als Lehrer. Das Leben der Maria Montessori. Biografie
Maria Montessori (1870 -1952) war eine ungewöhnliche und widersprüchliche Frau. Ihrer Lebensgeschichte widmet die italienische Journalistin, Literaturscout und Autorin Cristina De Stefano eine Biografie. Dazu hat sie bisher unzugängliche Unterlagen gesichtet. Die Geschichte wird verfilmt.
Obwohl mit über 400 Seiten sehr umfangreich, ist das Buch sehr kurzweilig und lebendig geschrieben, beansprucht jedoch klarer Weise einige Zeit der Beschäftigung der interessierten Leserschaft. Es ist von Franziska Kristen gut übersetzt. Die vielen kurzen Kapitel widmen sich jeweils einem Thema im Lebensweg der quirligen und energiegeladenen Italienerin, die einerseits Anfeindungen ausgesetzt war, andererseits auf die Unterstützung prominenter AnhängerInnen zählen konnte.
Zu einer Zeit geboren da Frauen heiraten und sich um eine Familie zu kümmern hatten, lehnte sie sich gegen die gesellschaftlichen Konventionen auf so gut es ihr möglich war. Über Umwege nach einer Karriere als erfolglose Schülerin und Schauspielunterricht, konnte sie Medizin studieren und gehörte zu den ersten Absolventinnen dieses Studiums in Rom. Sie schloss sich der Frauenbewegung an, trat international als Sprecherin und für das Frauenwahlrecht auf. Sie entschied sich gegen eine Heirat mit ihrem Kollegen und Vater ihres Sohnes (er anerkennt Mario) und damit zugleich gegen ihr eigenes Kind, das Pflegeeltern überlassen wurde. Das mag heute seltsam befremdlich klingen, ergab sich jedoch aus den herrschenden gesellschaftlichen Regeln. Maria wollte für ihre Berufung leben.
Revolutionär Aussagen wie jene bei einem Vortrag in Rom im Jahr 1931: „Der Erwachsene muss das Kind, sein Ich und den Rhythmus, in dem es sich selbst konstruiert, respektieren.“ Oder dieses Zitat über Didaktik: „Der Lehrer sollte nicht auf dem Katheder sitzen, Urteile fällen und Noten verteilen. Er muss sich zu den Schülern hinabbegeben, in Demut.“
Sie arbeitete mit geistig retardierten Kindern und machte Beobachtungen, die später von neurowissenschaftlichen Studien bestätigt wurden. Das Studium von Unterlagen vom französischen Arzt und Pädagogen Édouard Séguin (1812 – 1880) ließ sie seine Methode und Materialien weiter entwickeln und für alle Kinder zur Anwendung bringen sowie ein Patent auf das serienmäßig erzeugte Material einreichen.
Die sensibel gezeichnete Biografie erklärt auch die Situation der Menschen im damaligen Italien. In einer Hinsicht irrt jedoch die Autorin, wenn sie meint, dass „Signorina“, Fräulein, eine herabwürdigende Bezeichnung darstellte. Es war vielmehr so, dass Signorina eine unverheiratete Frau bezeichnete. Selbst alte Damen bestanden darauf in den 1960, 70er Jahren mit Signorina angesprochen zu werden. So ändern sich die Zeiten!
Transparenz: Ich habe ein Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten, wofür ich danke. Kein Honorar.